Irreführend

04. March 2025

Irreführende Karte verbreitet sich nach der Bundestagswahl

An Wahltagen werden die ersten Hochrechnungen gespannt erwartet. Aber nicht alle Statistiken spiegeln tatsächlich Wahlergebnisse.

Bild: DPA / Picture Alliance

An Wahltagen werden die ersten Hochrechnungen gespannt erwartet. Aber nicht alle Statistiken spiegeln tatsächlich Wahlergebnisse.

Behauptung

Ein Beitrag auf X behauptete am Nachmittag der Bundestagswahl, dass AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel in mehr als 150 von 299 Wahlkreisen zur Bundeskanzlerin gewählt worden sei.

Einordnung

Irreführend

Am Tag der Bundestagswahl verbreitet sich auf X eine Deutschlandkarte, die angeblich Wahlergebnisse zugunsten der AfD zeige. Doch abgebildet ist eine veraltete Erhebung, die zudem kein reales Wählerverhalten misst.

Faktensammlung


In dem geteilten Bild sind rechts unten kleingedruckt eine Quelle und ein Datum eingefügt. Demnach beziehen sich die Angaben auf den „Kanzlertrend“ von der Webseite wahlkreisprognose.de vom 13. Februar 2025. Die Angabe ist also veraltet und gibt nicht die Ergebnisse der Bundestagswahl wieder, sondern bezieht sich auf eine Prognose. Auch eine Bilderrückwärtssuche führte zu einem älteren Facebook-Post vom 20.2.2025, der dasselbe Sharepic teilte.


Die gezeigte Karte kommt tatsächlich von der Seite Wahlkreisprognose.de, doch sie zeigt nicht den Kontext der Erhebung. Auf eine Anfrage vom CORRECTIV.Faktenforum schreibt der Gründer der Webseite: „Es zeigt sich hier einmal mehr, dass hybride Desinformation gezielt mit statistischer Unkenntnis spielt. Kanzlertrends messen Präferenzen, keine realen Wahlentscheidungen. Dass die Wählerinnen und Wähler in der Kabine am Ende trotzdem eher ihrer Parteipräferenz folgen, ist empirisch bestens belegt – und genau das hat sich auch hier gezeigt.“ Er erklärte uns, was die Daten zeigen: Nämlich, dass der Rückhalt für Weidel unter AfD-Wählern besonders hoch gewesen sei, zwischen 80 und 90 Prozent. „Zum Vergleich: Scholz konnte in seiner eigenen Wählerschaft der SPD nur 60 bis 70 Prozent binden, Merz lag bei den Unionswählern auf ähnlichem Niveau. Wenn also jemand eine so hohe Loyalität in der eigenen Wählerschaft genießt, spiegelt sich das in kleinräumigen Projektionen wider – besonders in Wahlkreisen mit einem hohen AfD-Wähleranteil.“


Formulierungen in dem Sharepic machen teilweise falsche Anspielungen auf das deutsche Wahlsystem. So heißt es etwa in der Dachzeile, dass Alice Weidel zur Bundeskanzlerin gewählt werde. Aber über dieses Amt wird nicht in einer Direktwahl, sondern gemäß dem Vorgehen nach Artikel 63 des Grundgesetzes (GG) entschieden. Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler werden auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt und nicht direkt von den Bürgern und Bürgerinnen. In der Dachzeile ist außerdem von insgesamt 299 Wahlkreisen die Rede. Diese Angabe stimmt. Auf der Webseite der Bundeswahlleiterin gibt es weitere Informationen zu den Wahlkreisen.


Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des X-Beitrags waren nur Umfragen, aber keine Prognosen, Hochrechnungen oder offiziellen Ergebnisse der Bundestagswahl 2025 verfügbar. Bei diesen unterschiedlichen Erhebungen gibt es immer wieder Verwirrung, die für Falschbehauptungen genutzt wird. Vor der Europawahl 2024 hat CORRECTIV dazu einen Faktencheck veröffentlicht. Zur Bundestagswahl erklärte unter anderem der MDR in einem Beitrag den Unterschied zwischen Prognose, Hochrechnungen und vorläufigem Ergebnis.


Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Viktor Marinov; Redigatur: Caroline Lindekamp