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Falsch

24. November 2025

Kabelgebundene Drohnen zählen nicht als Drachen

Behauptung

Dienstleister und Hersteller hätten sich einen Trick für Drohnen überlegt, um gesetzliche Regulierungen zu umgehen. Sie würden einen Faden oder eine Schnur an eine Drohne binden – das Gerät zähle dadurch nicht mehr als Drohne, sondern als Drachen und dürfe über Menschenmengen fliegen.

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Einordnung

Eine Schnur an die Drohne binden und damit Regulierungen umgehen? Das soll laut einem Video gehen, das Fluggerät zähle dann als Drachen, heißt es darin. Das stimmt nicht.

Faktensammlung


In einem Video spricht ein Mann über einen vermeintlichen Trick für Drohnen. In der Beschreibung auf Instagram fasst er das zusammen: „Wusstet ihr, dass Drohnen über Menschenmengen eigentlich nicht erlaubt sind? Aber wenn man sie an ein Seil bindet, gelten sie plötzlich als ‚Drachen‘ und dürfen fliegen.“ Im Video ist eine Drohne zu sehen, die tatsächlich mit etwas verbunden ist, das wie ein roter Faden aussieht. Das Video ist laut dem Ersteller, einem Unternehmen für Alarmsysteme, 2025 auf der Sicherheitsexpo in Berlin entstanden. Auf Tiktok und Instagram sind davon kurze Ausschnitte zu sehen, auf Youtube gibt es eine längere Version. Auf eine Anfrage hat der Kanalbetreiber bis zur Veröffentlichung nicht reagiert.


Die Sicherheitsexpo in Berlin fand am 17. und 18. September statt, online findet sich ein Hallenplan mit allen Ausstellern. Damit konnten wir die Firma ausfindig machen, die die Drohne im Video auf der Messe zeigte. Der Mann im Video läuft, bevor er die Drohne zeigt, an einem Stand von der Firma Klüh Security vorbei. Neben Klüh ist auf dem Hallenplan ein Stand von Ares Robotics verzeichnet – das ist eine Sicherheitsfirma, die laut eigener Beschreibung „multfunktionale Drohnen“ anbietet. Ares Robotics ist die einzige Firma, die bei einer Suche mit dem Stichwort „Drohne“ unter den Ausstellern auf der Messe-Webseite auftaucht.


Wir haben bei Ares Robotics nachgefragt, ob die im Video gezeigte Drohne der Firma gehört. Die Firma hat das bestätigt: „Die im Video gezeigte Anlage stammt aus unserem Hause“, schrieb uns Geschäftsführer Steve Wilke. Als Drohne bezeichnet Wilke das Gerät aber gar nicht. „Es handelt sich hierbei um ein stationäres bodenverbundenes Kamerasystem, vergleichbar mit einem ausfahrbaren Kameraturm. Das Gerät kann lediglich aufsteigen oder absinken, es ist ansonsten nicht steuerbar.“ Die rote „Schnur“ sei eigentlich ein Kabel, welches das Gerät mit Strom versorgt. Technisch handle es sich nicht um eine Drohne, schrieb uns Wilke. „Kabelgebundene Kameras sind keine Drohnen und unterliegen den für diese geltenden Vorschriften damit nicht.“ Drohnen hingegen seien frei im Raum beweglich und steuerbar. Dem widerspricht aber auf Anfrage das Luftfahrt-Bundesamt (siehe Fakt 5).


Mit einer Stichwortsuche finden wir das Drohnenmodell aus dem Video. Es handelt sich um ein kabelgebundenes Gerät des Herstellers Fotokite. Sie besteht aus zwei Elementen: Dem Fluggerät selbst und der daran angebundenen Bodenstation, die entweder in einem Rollkoffer oder an einem Autodach befestigt wird. Die Firma richtet ihr Angebot vor allem an Einsatzkräfte, etwa die Feuerwehr oder die Polizei. Mehrere Polizeistationen aus den USA setzen Geräte von Fotokite ein, ebenfalls Feuerwehren in Deutschland, etwa in Köln oder Werl – das belegen Videos und Beiträge in Sozialen Netzwerken. Möglicherweise kommt vom Namen der Firma auch die Behauptung, dass die kabelgebundenen Drohnen als Drachen zählen. Das englische Wort „Kite“ bedeutet auf Deutsch Drachen.


Sind kabelgebundene Drohnen so wie andere Drohnen zu behandeln? Eine Sprecherin des Luftfahrt-Bundesamts (LBA) stellt klar: Ja. Die Behörde ist unter anderem für die zivile Luftsicherheit und die Registrierung von Drohnen ab einer bestimmten Masse zuständig. „Kabelgebundene Drohnen (tethered drones) unterliegen den gleichen Regularien wie andere Drohnen auch. Sie werden nicht als Drachen behandelt!“, schreibt die Sprecherin. Die EU definiert Luftfahrzeuge (UAS) als: „jede Maschine, die sich aufgrund von Reaktionen der Luft, mit Ausnahme von Reaktionen der Luft gegenüber der Erdoberfläche, in der Atmosphäre halten kann“ und ein unbemanntes Luftfahrzeug als „ein Luftfahrzeug, das ohne einen an Bord befindlichen Piloten autonom oder ferngesteuert betrieben wird oder dafür konstruiert ist“. Die sogenannte EU-Drohnenverordnung aus dem Jahr 2019 übernimmt diese Definition. Eine Ausnahme für kabelgebundene Geräte ist darin nicht zu finden. Laut der LBA-Sprecherin ist ein Vorteil von Drohnen mit Kabeln, dass kein „fly-away“ betrachtet werden müsse. Darunter versteht man, dass die Drohne unkontrollierbar wird und davonfliegt, etwa wenn das Funksignal verloren geht. Ein weiterer Vorteil sei, dass der Radius einer kabelgebundenen Drohne kleiner sei. Bei herkömmlichen Drohnen kämen hingegen „zum eigentlichen Betriebsraum noch Sicherheitsräume hinzu, die das zu betrachtende Gebiet wesentlich vergrößern können.“


Kontext: Wann Drohnen über Menschen fliegen dürfen, regelt die oben erwähnte EU-Verordnung. Sie definiert im Artikel 3 mehrere Kategorien von Drohnen, für die je nach Gewicht unterschiedliche Regeln gelten. Für die „offene Kategorie“ gilt zum Beispiel nach Artikel 4: „Der Fernpilot sorgt dafür, dass das unbemannte Luftfahrzeug in einer sicheren Entfernung von Menschen gehalten und nicht über Menschenansammlungen geflogen wird.“ In der Kategorie „zulassungspflichtig" dürfen Piloten zwar Menschenansammlungen überfliegen, dafür brauchen sie aber eine Zulassung, wie der Name der Kategorie zeigt. Das Gesetz definiert auch, in welchen Gebieten Drohnen fliegen dürfen. Der ADAC fasst das so zusammen: „Der Betrieb von Drohnen in und über sensiblen Bereichen ist untersagt. Das sind z.B. Einsatzorte von Polizei und Rettungskräften, Menschenansammlungen, Hauptverkehrswege, An- und Abflugbereiche von Flugplätzen“.


Fazit: Die im Video gezeigte Drohne ist nicht mit einer Schnur verbunden, sondern mit einem Kabel. Sie ist damit nicht so mobil wie eine herkömmliche Drohne, die sich frei bewegen kann. Für sie gelten laut Luftfahrt-Bundesamt trotzdem dieselben Regeln wie für eine herkömmliche Drohne. Die Behauptung, die Drohne zähle als Drachen, trifft nicht zu.


Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Viktor Marinov; Redigatur: Matthias Bau