Irreführend

20. February 2025

Merz-Aussagen zur deutschen Wirtschaft im TV-Duell gegen Scholz teilweise falsch

Unions-Kanzlerkandidat  Friedrich Merz bei seiner Ankunft zum TV-Duell von ARD und ZDF.

Bild: DPA / Picture Alliance

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz bei seiner Ankunft zum TV-Duell von ARD und ZDF.

Behauptung

Deutschland erlebe eine Insolvenzwelle wie nie in den vergangenen 15 Jahren, sagte Friedrich Merz (CDU) bei einem TV-Duell. 50.000 Unternehmen seien in der Amtszeit von Olaf Scholz in die Insolvenz gegangen. 300.000 Arbeitsplätze in der Industrie seien verloren gegangen und deutsche Unternehmen brächten so viel Kapital wie nie ins Ausland.

Einordnung

Irreführend

Im TV-Duell gegen Olaf Scholz behauptete Friedrich Merz vieles zur wirtschaftlichen Situation Deutschlands. Nicht alles davon war korrekt – die von ihm genannte Zahl der Insolvenzen stimmte etwa, doch sie war nicht wie behauptet die höchste seit 15 Jahren. Auch eine Zahl zu verlorenen Arbeitsplätzen in der Industrie lässt sich nicht belegen.

Faktensammlung


Das Statistische Bundesamt gibt die jährlichen Insolvenzfälle in Deutschland von 1954 bis 2023 an, darunter auch die Unternehmensinsolvenzen. Für das Jahr 2023 sind 110.178 Insolvenzen, darunter 17.814 Unternehmensinsolvenzen angegeben. Die Angaben für das Jahr 2024 sind bei Destatis noch nicht einsehbar; einem ZDF-Bericht zufolge zeichne sich aber ab, dass die Anzahl bei über 20.000 Unternehmensinsolvenz liegen dürfte. Zwischen 1995 bis 2017 lag die Anzahl immer über 20.000 pro Jahr. In vielen Jahren war die Zahl höher als in der Amtszeit von Scholz. 2012 waren es etwa 28.000 Insolvenzen. Die veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamts bis zum Jahr 2023 plus die monatlichen Unternehmensinsolvenzen bis Oktober ergeben rund 50.000 Insolvenzen. Zuzüglich der verbleibenden Monate stimmt also die Aussage von Merz zur Zahl der Insolvenzen während der Amtszeit von Scholz. Doch das sind nicht mehr als in den letzten 15 Jahren, wie Merz behauptete.


300.000 Industriearbeitsplätze: Zu dieser Behauptung hat die Faktencheck-Redaktion von CORRECTIV recherchiert. Woher diese Zahl kommt, ist unklar. Die Zahl der Beschäftigten in der Industrie ist demnach stabil: Von November 2022 bis November 2024 arbeiteten stets rund 5,5 Millionen Menschen in der Branche. In keinem einzigen Monat war die Zahl deutlich höher oder niedriger, die Schwankungen sind sehr gering. Auf eine Anfrage, auf welcher Statistik sich Merz bezieht, antwortete die Pressestelle der CDU nicht. Möglicherweise bezog sich Merz auf eine Prognose des Chefs des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf. Er sprach im Herbst 2024 davon, dass in den nächsten fünf Jahren bis zu 300.000 Jobs in der Industrie in Gefahr seien. Das ist jedoch eine Zukunftsprognose, die sich nicht eindeutig be- oder widerlegen lässt.


Zum deutschen Kapital im Ausland: Laut das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) lagen die Netto-Abflüsse deutscher Unternehmen im Jahr 2023 bei 94 Milliarden Euro, nachdem sie bereits 2021 und 2022 sehr hoch gewesen seien (jeweils 100 und 125 Mrd. Euro). Mit Netto-Abflüssen wird die Differenz zwischen Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland angegeben. Die hohen Werte zwischen 2021 und 2023 stuft das IW als „erste Symptome einer Deindustrialisierung“ ein. Auch laut der Bundesbank waren die unmittelbaren Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland 2022 auf dem höchsten Stand seit 2010 (davor sind keine Daten verfügbar). Die Aussage von Merz ist demnach korrekt.


Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Viktor Marinov; Redigatur: Caroline Lindekamp