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Irreführend

03. July 2025

Kreuzfahrtschiff-Müll: Virales Video ist KI-generiert, Umweltprobleme sind echt

Abfallentsorgung ist eines der zentralen Umweltprobleme in der Kreuzfahrtbranche

Bild: Michael Bihlmayer / picture alliance / CHROMORANGE

Abfallentsorgung ist eines der zentralen Umweltprobleme in der Kreuzfahrtbranche

Behauptung

Ein Video soll zeigen, wie Kreuzfahrtschiffe ihren Müll auf offener See entsorgen.

Einordnung

Irreführend
Ein KI-generiertes Video soll zeigen, wie Kreuzfahrtschiffe ihren Müll direkt ins Wasser kippen. Ein Beleg für Umweltverstöße ist das nicht. Illegale Abfallentsorgung auf See gab es in der Vergangenheit dennoch.

Faktensammlung


Das kursierende Video soll angeblich zeigen, wie ein Kreuzfahrtschiff Müll oder Abwasser über ein Rohr ins Meer leitet. Es weist deutliche Merkmale von KI-generierten Inhalten auf. Dazu gehören zum Beispiel das plötzlich aufblitzende und wieder verschwindende braune Abwasser und eine unnatürliche Wasseroberfläche. Ein Video auf X mit 290.000 Aufrufen nutzt neben anderen Aufnahmen auch die KI-generierte Szene. Dies legt sowohl die Überprüfung mit den Online-KI-Tools Hive Moderation und Attestiv.Video (Belege 5 und 6), als auch ein Blick auf die Kanäle nahe, die das Video teilen. Das Video verbreitete auf mehreren Plattformen ein Account namens „aliaboutine“, der sich selbst als „AI Artist“ bezeichnet und das Video explizit als KI-generiert markiert hat. Auch die Seite News24 bezeichnet das Video in einem Artikel als KI-generiert. Einzelne Bildartefakte im Video, wie das plötzliche Verschwinden der Verfärbungen im Wasser, verstärken den Eindruck. Das schließt aber nicht aus, dass Umweltvergehen durch Kreuzfahrtschiffe real existieren.


Plastikmüll und die Abfallentsorgung sind zentrale Umweltprobleme in der Kreuzfahrtbranche. Laut dem Reisejournalisten Franz Neumeier produzieren Kreuzfahrtschiffe durchschnittlich bis zu sieben Kilogramm Abfall pro Passagier und Tag, darunter Plastikmüll, Lebensmittelabfälle, Papier und Karton, Abwasser und Chemikalien. Die internationalen Umweltvorschriften, insbesondere das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL-Übereinkommen), regeln, dass die Entsorgung von Kunststoffabfällen auf See streng verboten ist. Nach diesem Übereinkommen ist es erlaubt, behandeltes Abwasser mindestens drei Seemeilen (etwa fünf Kilometer) von der Küste entfernt ins Meer einzuleiten. Nicht behandeltes Abwasser dürfen Schiffe erst ab einer Entfernung von zwölf Seemeilen (etwa 22 Kilometer) entsorgen. Besonders streng geregelt ist die Entsorgung in sogenannten Sondergebieten. In diesen ökologisch sensiblen Regionen, darunter das Mittelmeer, die Ostsee, das Schwarze Meer, das Rote Meer, die Karibik sowie die Antarktis, ist die Entsorgung bestimmter Abfallarten wie Öl, Plastikmüll, Speiseresten und unbehandeltem Abwasser vollständig verboten. Für die Ostsee gelten zusätzlich spezielle Regeln für die Abwasserentsorgung: Hier dürfen Passagierschiffe nur speziell behandeltes Abwasser entsorgen. Allerdings zeigen Berichte, dass sich nicht alle Schiffe an diese Vorschriften halten. Hinzu kommt, dass laut PETA sogenannte organische Abfälle wie Speisereste regelmäßig ins Meer entsorgt werden. Diese Praxis kann das ökologische Gleichgewicht erheblich stören.


In der Vergangenheit wurde die Kreuzfahrtreederei Carnival Corporation, zu der unter anderem die Marke Princess Cruises gehört, wegen Verstößen gegen Umweltschutzvorschriften verurteilt. Im Jahr 2016 wurde Carnival zu einer Geldstrafe von 40 Millionen US-Dollar verurteilt, weil mehrere Schiffen über Jahre hinweg ölhaltige Abfälle illegal ins Meer kippten. Dabei nutzten Crewmitglieder eine sogenannte „Magic Pipe“, ein unerlaubtes Rohrsystem, das es ermöglichte, ölverschmutztes Bilgenwasser unter Umgehung der vorgeschriebenen Abwasserfilter direkt ins Meer zu leiten. Laut den Ermittlungen hatte das Unternehmen auch Aufzeichnungen manipuliert, um die illegalen Einleitungen zu verschleiern. Auch nach dieser Verurteilung kam es zu weiteren Vorfällen. Im Jahr 2019 stimmte Carnival einer zusätzlichen Strafzahlung von 20 Millionen US-Dollar zu. In diesem Fall ging es unter anderem um das illegale Entsorgen von Plastikabfällen in die Gewässer der Bahamas, die Fälschung von Dokumentationen und die aktive Behinderung von Kontrollen durch Behörden. Laut dem US-Justizministerium entsandte das Unternehmen spezielle Teams an Bord, um vor Inspektionen Spuren von Umweltverstößen zu beseitigen.


An Bord moderner Kreuzfahrtschiffe wird Abfall meist getrennt, gepresst und getrocknet. Wertstoffe sowie gefährliche Reste wie Klärschlämme oder Aschen aus Müllverbrennungsanlagen werden teilweise im nächsten Hafen entsorgt. Einige Schiffe verfügen zudem über eigene Verbrennungsanlagen, in denen Abfälle wie Essensreste und Fäkalien verbrannt werden, um Energie zu gewinnen und das Volumen zu reduzieren. Diese Praxis gilt als umweltfreundlicher, da sie die Notwendigkeit verringert, Abfälle über Bord zu werfen oder in Häfen zu entsorgen. Viele Reedereien thematisieren ihre Bemühungen zur Verbesserung ihrer Abfallkonzepte auf ihren Webseiten und setzen dabei verstärkt auf Recycling und Abfallvermeidung.


Diese Faktensammlung haben Mitglieder der Faktenforum-Community recherchiert. Redaktion: Nadia Westerwald; Redigatur: Viktor Marinov